Aus der Position der Stärke in die neue Strategieperiode
Verwaltungsratspräsident Jodok Wyer und CEO Philomena Colatrella im Gespräch.
Das Geschäftsjahr 2018 war einmal mehr solide – worin liegen die Hauptgründe?
Jodok Wyer: Es ist sehr erfreulich, dass die CSS erneut ein derart erfolgreiches Geschäftsjahr absolvieren konnte und dass wir unsere führende Marktposition halten konnten. Die anvisierten Gewinnziele konnten nicht nur erreicht, sondern gar übertroffen werden. Wir offerieren attraktive Prämien, bieten Dienstleistungen mit echtem Mehrwert und erfüllen unser Versprechen einer kundennahen Krankenversicherung. Und nicht zuletzt bin ich überzeugt, dass sich unser Image positiv auf das Kundenwachstum ausgewirkt hat. Seit dem CEO-Wechsel vor zwei Jahren wird die CSS in der Öffentlichkeit vermehrt als Unternehmen wahrgenommen, das sich für die Interessen der Versicherten einsetzt. Das bleibt den Versicherten nicht verborgen. Die Balance zwischen Wachstum und finanzieller Stabilität ist die Grundvoraussetzung unserer Unternehmensführung. Diesen Fokus auf eine nachhaltige Wertsteigerung für unser Unternehmen werden wir beibehalten müssen. Die CSS ist finanziell grundsolide aufgestellt.
Wie steuert die CSS in Zeiten von explodierenden Gesundheitskosten ihre Prämien- und Kostenpolitik?
Philomena Colatrella: Viele Versicherte sind nach wie vor sehr preissensitiv. Gerade mit der unterdurchschnittlichen Prämienerhöhung konnten wir im letzten Geschäftsjahr entscheidend punkten. Das bleibt weiterhin unser Anspruch. Und ganz zentral: Wir haben unsere Kosten im Griff. Dass die CSS auf ein derart erfreuliches Gesamtergebnis zurückblicken darf, ist zu einem guten Teil auf die strikte Kontrolle der Leistungskosten zurückzuführen. Den grössten Anteil – über 550 Millionen Franken – hat auch 2018 die Überprüfung sämtlicher 17 Millionen Rechnungen beigetragen. Die Verwaltungskosten betrugen zudem in der Grundversicherung lediglich noch 3,7 Prozent, was einem Rückgang um 0,3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Damit hat die CSS erstmals die 4-Prozent-Marke knacken können und gehört zu den effizientesten Versicherern im Markt. Dies unterstreicht die rigorose Kostendisziplin, der sich das Unternehmen seit Jahren verschrieben hat. Die Kunden profitieren direkt davon, wenn unsere Verwaltungskosten tief sind.
Hat die CSS angesichts des soliden Gewinns nicht trotzdem zu hohe Prämien verlangt?
J.W.: Nein. Ich möchte betonen, dass in der Grundversicherung keine Gewinne möglich sind. Was wir dort als Überschuss ausweisen, bleibt im System. Dieser Betrag wird den Reserven zugeführt und stellt sicher, dass die CSS auch in Krisenzeiten, wie etwa bei einer Pandemie, alle Rechnungen bezahlen kann. Einzig über die Gewinne aus dem Zusatzversicherungsgeschäft kann die CSS frei verfügen. Die Gewinne erlauben es, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen. Einen guten Teil des Gewinns setzen wir bereits heute zugunsten unserer Versicherten ein. Beispiele dafür sind verschiedene digitale Werkzeuge, die unsere Kunden in Gesundheitsfragen unterstützen, Betreuungsprogramme, oder auch die persönliche Patientenbegleitung. Solche Engagements werden in der Öffentlichkeit gerne ausgeblendet.

Die CSS ist finanziell grundsolide aufgestellt.»
Worauf muss die CSS trotz des guten Leistungsausweises ein besonderes Augenmerk richten?
P.C.: Unsere gute Performance darf uns auf keinen Fall dazu verleiten, träge zu werden. Der Markt bleibt hart umkämpft und es wird immer anspruchsvoller, sich gegenüber den Mitbewerbern zu unterscheiden. Wenn es um die Kundenzufriedenheit geht, sind wir noch nicht in jeder Beziehung dort, wo wir hinmöchten. Obschon wir uns auf einem hohen Niveau befinden. Es ist mir ein grosses persönliches Anliegen, dass wir uns schon 2019 weiter verbessern können. Unsere Kunden sollen es jederzeit mit einem Partner zu tun zu haben, der leicht erreichbar ist. Nähe als Leitidee bedeutet für die CSS zum einen ein dichtes Netz von rund 100 Agenturen. Zum anderen ist sie Basis für eine persönliche Betreuung im Kundenservice-Center, das jährlich 1,5 Millionen Anliegen behandelt. Die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Organisation und interne Schulungen ermöglichen nicht nur ein grösseres Verständnis für die Bedürfnisse der CSS-Kunden, sondern auch eine grössere Effizienz.
J.W.: Dem kann ich nur zustimmen. Bei der CSS sind wir uns wieder vermehrt bewusst geworden, dass wir als Verein strukturiert sind, dem 573 000 Mitglieder angehören. Wir haben in den vergangenen Jahren bewusster hingehört und geschaut, wo unsere Versicherten der Schuh drückt. Wir haben die Prozesse entlang der Kundenbedürfnisse modelliert und den Kunden einbezogen, wenn es darum ging, neue Produkte und Dienstleistungen einzuführen. Letztlich sind dieser Perspektivenwechsel und der interne Bewusstseinswandel viel wichtiger als ein Ranking.
Die CSS startet in eine neue Strategieperiode. Man will die Rolle des Gesundheitspartners der Versicherten übernehmen. Ein stolzer Anspruch.
J.W.: So ist es. Vor einem Jahr hat der Mitgliederrat der CSS die Grundsätze für das Unternehmen überarbeitet. Auf diesen baut unsere neue Strategie auf. Wir haben eine Trilogie formuliert, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll. Wir wollen, dass unsere Versicherten gesund werden. Wir wollen sie auch darin unterstützen, gesund zu bleiben. Und schliesslich wollen wir Versicherten eine Hilfestellung bieten, damit sie gegebenenfalls besser mit einer Krankheit leben können. Wir möchten Kunden helfen, sich im immer komplexeren Gesundheitswesen zurechtzufinden. Das bedeutet, dass wir unsere Entwicklung von der Zahlstelle hin zu einem Partner unserer Versicherten in den kommenden Jahren intensivieren.
Haben sich die Kundenbedürfnisse der Versicherten also grundlegend verändert?
P.C.: Sie verändern sich, genauso wie sich die Gesellschaft verändert. Vor allem die Anforderungen an die Convenience steigen mit der Digitalisierung. Die Kunden wollen vermehrt selbstbestimmt entscheiden können, wann und über welchen Kanal sie mit uns interagieren. Das zeigt sich auch im Erfolg unserer alternativen Versicherungsmodelle (AVM). Hier kann der Kunde wählen, ob er bei gesundheitlichen Anliegen die telefonische Beratung in Anspruch nimmt, sich an seinen Hausarzt oder an eine Gruppenpraxis wendet. Der Trend beweist, dass diese Vielfalt von den Kunden gewünscht wird. Erstmals waren Ende Jahr mehr als 900 000 Versicherte in einem alternativen Versicherungsmodell versichert. Im laufenden Jahr dürften die AVM-Modelle die Millionengrenze knacken.
Mehr als 900 000 Versicherte waren Ende Jahr erstmals in einem alternativen Versicherungsmodell versichert.»
Stichwort Digitalisierung: Wie kann die CSS von den neuen technologischen Entwicklungen profitieren?
J.W.: Beispiele aus der Versicherungsbranche, aber auch der Quervergleich mit anderen Branchen, zeigen, dass sich das Tempo im Markt beschleunigt hat, und dass sich durch die Digitalisierung komplett neue Geschäftsmodelle ergeben können. Die Erschliessung von neuen Wachstumsmöglichkeiten ist für die CSS unverzichtbar. Wir starten von einer guten Basis aus, da wir in der Vergangenheit bereits erheblich in die Digitalisierung investiert haben. Aber dennoch müssen wir weiterhin am Ball bleiben. Aus der neuen Strategie haben wir eine konkrete digitale Roadmap abgeleitet.
Was bringt das den Versicherten?
P.C.: Es geht um echten, für die Kunden erlebbaren Mehrwert. So sorgen digitale Anwendungen für eine unkomplizierte Abwicklung der Versicherungsangelegenheiten über unser Portal myCSS und unsere myCSS-App. Diese Applikationen wurden mehrfach ausgezeichnet und wir entwickeln sie auf Basis der Kundenfeedbacks stetig weiter. Wir haben uns hier sehr ambitionierte Ziele gesetzt. Darüber hinaus unterstützen wir unsere Kunden in Gesundheitsfragen. So prüft unsere Anwendung myGuide Krankheitssymptome und gibt eine Empfehlung ab, ob ein Gang zum Arzt, ins Spital oder in die Apotheke angebracht ist. Ein weiteres Beispiel ist die Forschung an «digitalen Pillen» in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und der Universität St. Gallen. Ein virtueller Coach steht chronisch Kranken zur Seite und hilft, die Krankheit im Alltag besser managen zu können, beispielsweise bei Asthma.
Wie viel Innovation kann und will die CSS überhaupt leisten?
J.W.: Da sind wir wieder beim Thema Balance. Diese Investitionen sind finanziell nicht unbedeutend und müssen deshalb wohlüberlegt sein. Nicht alles, was im digitalen Bereich auf den Markt kommt, macht auch Sinn. Hier gilt es darauf zu achten, dass Entwicklungen in neue Geschäftsmodelle mittel- und langfristig auch wirtschaftliches Potenzial freimachen können. Gleichzeitig müssen wir allen Versicherten eine Chance geben, mitzukommen. Deshalb investieren wir auch in die analoge Welt, etwa in unsere Agenturen. Wir dürfen niemanden überfordern. Digitalisierung sehen wir als grosse Chance, nicht als Selbstzweck.
Kann die CSS als grösster Grundversicherer überhaupt die notwendige Agilität für die Arbeiten an so vielen Fronten entwickeln?
P.C.: Wir müssen. Und ich bin überzeugt, dass wir es auch können. In den letzten paar Jahren haben wir eine wichtige Basis für die neue Strategieperiode legen können. Zudem haben wir die Struktur der CSS in den letzten zwei Jahren grundlegend an neue Herausforderungen angepasst. Das hat eine grosse Dynamik ins Unternehmen gebracht. Heute sind wir besser vernetzt, die Verantwortlichkeiten sind klarer definiert. Gleichzeitig haben wir einen neuen Konzernbereich für Innovationen geschaffen. So kam die bisherige CSS-Welt mit einer neuen zusammen. Das brachte Bewegung ins Unternehmen.
2019 ist Wahljahr. Zahlreich sind darum die Vorschläge aus der Politik für eine Senkung der Gesundheitskosten. Was ist zu erwarten?
J.W.: Wenn sich Bundesbehörden und Parteien gegenseitig mit vermeintlich guten Rezepten übertrumpfen, möchte ich eines zu bedenken geben: Mit Einzelmassnahmen werden wir der ausufernden Kostenentwicklung nicht Herr werden. Vielmehr braucht es eine Vielfalt an Massnahmen, die es zu diskutieren gilt. Die momentane Hektik, um das mal so zu nennen, hat also durchaus ihre guten Seiten. Das grösste Problem sehe ich darin, dass hier eine komplexe Materie und unser ausgeprägter Föderalismus aufeinanderprallen. Eine Konstellation, die selten zu tollen Resultaten führt. Die CSS bleibt hier ebenfalls nicht untätig: Als grösster Grundversicherer haben wir den Anspruch, uns für das Schweizer Gesundheitswesen zu engagieren und Ansätze in die Diskussion einzubringen, damit die Kosten nicht ausufern.
Hier setzt die CSS vor allem auf die Idee eines Kostenziels?
P.C.: Ja, unter anderem. Wir werden uns weiterhin für Kostenziele im Gesundheitswesen einsetzen. Die Gesundheitsbranche ist der einzige Sektor in der Schweizer Wirtschaft, der keine Ausgabeziele hat. Unsere Vorstellung zielt dahin, die Idee eines Radars zu diskutieren, der allen Akteuren hilft, sich zu orientieren. Wir haben einen Wachstumsfaktor vorgeschlagen, der nicht nur den Lohnindex, sondern auch den demografischen Wandel und den medizinischen Fortschritt berücksichtigt. Mit einem Kostenziel soll eine grössere Transparenz in Bezug auf die steigenden Kosten geschaffen werden. Dies könnte zu einem natürlichen Wettbewerb zwischen Ärzten, Spitälern, aber auch Kantonen führen.